
Irgendwann eine Auszeit nehmen oder früher in Rente gehen und trotzdem Lohn erhalten – für viele Beschäftigte ist das eine attraktive Vorstellung. Als Ersatz für die ehemalige Altersteilzeit hat der Gesetzgeber seit 2009 mit dem Flexi-II-Gesetz die Möglichkeit von Zeitwertkonten geschaffen. Ein aktuelles Urteil erweitert die Einsatzmöglichkeiten von Zeitwertkonten. Denn: Unter bestimmten Voraussetzungen führen sie nicht automatisch zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Eine Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts bringt Klarheit in die Diskussion um Zeitwertkonten für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer*innen (GGF) (FG Kassel, Urteil vom 29.09.2021 – 4 K 1476/20 FG Kassel, Urteil vom 29.09.2021 – 4 K 1476/20 – (Urteil unter folgendem Link: openJur). Damit können Zeitwertkonten auch zu einem Modell für beherrschende GGF werden – insbesondere für den eigentümergeführten Mittelstand kann das interessant sein. Unter dem Zeichen eines neuen Arbeitsmarktes ist eine Beteiligungsmöglichkeit für alle Mitarbeiter auch ein starkes Instrument in einem modernen Vergütungssystem.
Mehr allgemeine Informationen und eine praktische Zusammenfassung von uns zum Thema Mitarbeiterbeteiligung und Zeitwertkonten finden Sie unter folgendem Link:
Einschränkungen im Zeitwertkonto für GGF
Auch GGF können bei Zeitwertkonten über eine Kapitalanlage ein Wertguthaben ansparen, um damit spätere Freistellungen zu finanzieren. Ihr Guthaben darf aber nur zur Finanzierung eines vorgezogenen Ruhestands verwendet werden. Geschäftsführende Gesellschafter*innen müssen außerdem ab Beginn des vorgezogenen Ruhestands von ihren Pflichten als Geschäftsführer entbinden und das Handelsregister entsprechend korrigieren. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind nach Ansicht des hessischen Finanzgerichts Einzahlungen beherrschender GGF keine verdeckte Gewinnausschüttung.
Aufgabenbild von Geschäftsführer*innen
Ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt oder nicht, richtet sich danach, ob die Zahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem*r Gesellschafter*in einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines*r ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter*in Nichtgesellschafter*innen nicht gewährt hätte. Es ist also ein Fremdvergleich anzustellen.
Grundsätzlich ist ein Zeitwertkonto nicht mit der Beschreibung der Funktion und der Position des Geschäftsführers einer Körperschaft vereinbar. General Manager tragen die volle Verantwortung und führen das gesamte Geschäft.
Arbeit kann nicht in Arbeitstagstunden gemessen werden.
Dem würde eine Befreiung durch Zweitwertkonto widersprechen.
Das wäre – mit einem Zeitversatz quasi ein Überstundenausgleich.
Daher würde es ordentlichen und gewissenhaften Managern schwerfallen, eine solche Vereinbarung mit externen Managern abzuschließen. Eine Vereinbarung über Zeitwertkonten mit GGF regelt daher grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Allerdings weist das Hessische Finanzgericht darauf hin, dass es unter den vorgenannten Einschränkungen für GGF weder Arbeitszeit noch teilweises Ausscheiden aus der aktiven Erwerbstätigkeit geben würde.
Der GGF wäre nur in der Lage den Vorruhestandswertguthaben zu nutzen und würde dann von seiner Position als CEO entfernt .Aus wirtschaftlicher Sicht würde GGF seine Vermögenswerte mit dem Zeitwert veräußern und die Rente finanzieren. Daher hat das hessische Finanzgericht eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Zufluss von Einnahmen bei beherrschenden GGF
Die Umwandlung des Gehalts und die Zahlung in das Wertguthaben führen nicht zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften für die herrschende GGF.
Die Steuerpflicht entsteht erst mit Zufluss.
Dazu muss der Berechtigte wirtschaftlich über ein Gehalt verfügen können.
Bei beherrschenden GGF reicht es allerdings aus, wenn Zahlungen fällig sind.
Bisher hat der BFH nicht beantwortet, ob auf einem Wertkonto Zeit ein Entgelt darstellt
Die Fälligkeit kann jedoch in jedem Fall durch eine wirksame Vereinbarung, die auch für Dritte gilt, hinausgeschoben werden. Mit den entsprechenden Vereinbarungen zum Zeitwertkonto wird auch sichergestellt, dass nicht schon zum Zeitpunkt der Einzahlungen ein fälliger und damit einkommenssteuerpflichtiger Anspruch besteht.
Gestaltungsvarianten für Zeitwertkonten beherrschender GGF?
Laut dem Hessischen Finanzgericht muss die Nutzung von Zeitwertkonten auf den Vorruhestand beschränkt werden. Der GGF müssen außerdem als Geschäftsführer*in abberufen werden. Weitere Gestaltungsvarianten erscheinen problematisch.
Gehaltsumwandlung beherrschender GGF
Die Finanzierung der Zeitwertkonten durch Gehaltsumwandlung wird anerkannt. Unterbleiben sollten aber Gehaltsanhebungen vor Beginn der Gehaltsumwandlung. Dies würde nicht mehr einem Fremdvergleich standhalten. Dasselbe gilt für die Umwandlung des gesamten Gehalts.
Teilweise Freistellungen
Wird beherrschenden GGF die Möglichkeit einer teilweiser Freistellung eingeräumt, führt dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn auch ein teilweiser Ausstieg aus der aktiven Arbeitsphase ist mit der Organstellung nicht vereinbar.
Allzuständigkeit von Mitgeschäftsführer*innen
Die Allzuständigkeit von Geschäftsführer*innen hat der BFH bislang für Alleingeschäftsführer*innen angenommen, so dass man in Betracht ziehen könnte, bei mehreren GGF keine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen. Doch auch bei mehreren Geschäftsführer*innen bleibt der*die Geschäftsführer*in in der Gesamtverantwortung und formal umfassend zuständig (vgl. § 37 Abs. 2 GmbHG, § 43 GmbHG). Der BFH begründet die Allzuständigkeit aber damit, dass Geschäftsführer*innen die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen müssten, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Wenn diese Arbeit aber faktisch von einem*einer anderen Geschäftsführer*in übernommen werden kann, mag auch eine Freistellung eines*r Geschäftsführer*in mit dessen*deren Aufgabenbild vereinbart erscheinen. Formalrechtliche Risken aufgrund der Geschäftsführerstellung müssten jedenfalls im Innenverhältnis der Gesellschaft geregelt werden. Allerdings hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1 K 1381/14) die Allzuständigkeit auch bei mehreren Geschäftsführer*innen angenommen.
Quelle: Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft | Domscheit & Partner Rechtsanwälte (domscheit-partner.de)
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